Restaurierung der Turmschäfte

Schadensbilder

Der "Soester Grünsandstein", eigentlich ein sandiger Kalkstein, hat speziell an den gotischen Türmen der Wiesenkirche seine Probleme; (diese sind jedoch nicht ohne Weiteres auf andere Bereiche übertragbar). Bei einer Instandsetzung um 1930 wurde fast die gesamte Bauzier der Turmschäfte abgeschlagen, um Steinschlag zu vermeiden. Ca. 50 Jahre später machten starke Fortschritte der Verwitterung an den Turmschäften eine umfassende Restaurierung notwendig, die 1987 begonnen wurde.

Durch Gipskristallisation abgesprengte Schalen

Großflächige Verwitterung sowie Verrisse in den Sedimenten, aber auch gegen das natürliche Lager

(mittlerweile überholter) Abbau durch Keilbohrtechnik

Kurz vor dem Absturz stehendes Stück der Mittelrippe in einem der oberen Fenster

Abbau und Wiederaufbau

Eine besondere Schwierigkeit an den Türmen stellte der Steinabbau dar. Hierfür wurde ab 1993 eine neue Verfahrenstechnik entwickelt, bis hin zum Einsatz von Diamantseilsägen. Theoretische Grundlage dafür ist das exakte Einmessen von Richtungen anhand der Turmgeometrie. Die Art der Anfertigung von Werksteinen geschieht in einer Mischung von industrieller Technik und von handwerklicher Technik, bzw. Technologie, jeweils auch in reiner Form. In der Bauhütte selbst werden neben der aufwändigen manuellen Anfertigung von Laubwerkarbeiten (Krabben, Kreuzblumen etc.) auch kompliziertere Profilarbeiten durchgeführt. Nachfolgend vier Abbildungen vom Versetzen eines in Obernkirchener Sandstein wiederhergestellten Maßwerkes und seiner gebogenen Laibung bis zum eingepassten Schluss-Stein, in Verzahnung Schicht um Schicht mit der verbliebenen Originalsubstanz aus Grünsandstein:

Rekonstruktion des Formenkanons

Blick auf eine Wimpergecke der 1. Zone, welche die Ausbildung der ca. 18 m hohen und über 70 t schweren, frei stehenden Riesenfialen aus der Turmecke markiert. Der originale grüne Stein ist zerstört und die wertvolle gotische Zier ist abhanden gekommen. Das geschah einerseits durch den sogenannten Zahn der Zeit, also durch Verwitterungen, aber ebenso durch Verlust wichtiger Festigkeitseigenschaften im Steinmaterial. Andererseits wurde der Verlust wertvollster Substanz im Laufe der Geschichte einmal auch von Menschenhand herbeigeführt.

Aus wenigen, zum Glück noch ausreichend vorhandenen Fragmenten des originalen Formenkanons lassen sich fundierte Aufschlüsse über die ursprüngliche Gestalt gewinnen. Die Abbildung oben zeigt die Wiederherstellung einer Wimpergecke der 1. Zone nach der Rekonstruktion versetzt am Südturm. Zur Ausführung darf nurmehr der Obernkirchener Sandstein verwendet werden, analog auch dem Ratschluss derer, die bereits während des Bauens der Türme im 19. Jahrhundert entsprechende Erkenntnis gewannen und für die Maßwerkhelme den Stein wechselten.

Detailaufnahme von Laubwerk in der 1. Wimpergzone